Entstehung
und verbreitung der Drachme
Die älteste
Währung Europas wurde im 7. Jahrhundert v. Chr. auf der
Insel Ägina im Saronischen Golf vor Athen geprägt. Pheidon,
König von Argos, zog den bis dahin gültigen Obolus zurück
und führte stattdessen die Drachme ein. Ihr Wert entsprach
sechs Obolusse, und so erhielt die neue Währung die
Bezeichnung "Drachme" abgeleitet vom Verb "dratto". Drachme
bedeutet "eine Hand voll". Die Vorderseite der Silbermünze
zierte eine Schildkröte - Symbol der Langlebigkeit - als ob
Pheidon geahnt hätte, dass der Drachme ein langes Leben
beschert sein würde.
Die
attische Drachme mit dem Kopf der
Athene auf der einen und der Eule auf der anderen Seite
fungierte als eine Art
Leitmünze der Antike. Von der
Handelsmetropole Athen aus fand sie ihre Verbreitung im
ganzen östlichen Mittelmeerraum. Im Altertum war die
Drachme nicht nur eine "harte Währung", sie hatte auch ein
bemerkenswertes Gewicht: 43 Gramm Silber verliehen der
Dekadrachme einen soliden Wert. Ein solches
Zehn-Drachmen-Stück (5. Abb. 1) ist heute im Numismatischen
Museum in Athen zu sehen. Neben der Dekadrachme gab das
demokratische Athen auch Münzen in den Werten von einer,
zwei, vier, sechs, acht und zwölf Drachmen heraus. Das
geflügelte Wort "Eulen nach Athen tragen", also etwas
völlig Überflüssiges tun, bezieht sich auch auf diese dort
im Übermaß vorhandenen Silberlinge. Daher auch die
Bemerkung in der satirischen Komödie "Die Vögel" von
Aristophanes: "An Eulen wird es nie mangeln".
Die
Drachme als nationale Währung des neugriechischen Staates
Vor dem
griechischen Befreiungskampf von 1821 gegen die Osmanen
herrschte im besetzten Griechenland Finanzchaos. Neben dem
stark abgewerteten türkischen Groschen zirkulierten Gold
und Silbermünzen anderer europäischer Staaten. Viele dieser
Währungen wurden aus Gründen der Spekulation in den Osten
transferiert. Der spanische Piaster, der
Maria-Theresien-Taler und die goldene venezianische Zechine
waren hingegen wegen ihrer Stabilität äußerst begehrt.
Die numismatische Geschichte des neuen Griechenland beginnt
1828, zwei Jahre vor der Anerkennung der Souveränität
Griechenlands durch die Großmächte auf der Londoner
Konferenz. Der erste Ministerpräsident der provisorischen
Regierung loannis Kapodistrias (1776 - 1831) führte als
nationale Währung den Phönix ein. Der mythische Vogel als
Sinnbild der Unsterblichkeit schmückte die silbernen
Münzen. Der Ministerpräsident ließ sie in seinem Haus auf
Ägina prägen. Doch kaum hatte sich die neue Währung aus der
Asche einer vierhundertjährigen Türkenherrschaft erhoben,
ließ sie schon bald die Flügel sinken. 1831 wurden
erstmalig Banknoten gedruckt. Diese Scheine waren nicht
besonders ansehnlich und wirkten alles andere als
vertrauenswürdig. Die Griechen vermissten bei ihnen den
magischen Glanz des Edelmetalls. Nach dem Tod von
Kapodistrias wird der Phönix endgültig zu Grabe getragen.
Bald darauf wurde der bayerische Prinz Otto zum König von
Griechenland gekrönt. Vom Geist der Antike beflügelt, ließ
der junge König die Drachme wieder zum Leben erwecken. Sie
war in 100 Lepta unterteilt und hatte ein Gewicht von 4,5
Gramm. Die silbernen Drachmen wurden 1832 nach den
Entwürfen von Conrad Voigt und Karl Lange in München
geprägt. Ein Jahr später kamen die 5- und 1-Drachmen-Stücke
in den Verkehr. Auch die halben und ein Viertel Drachmen
waren aus Silber, während die 20-Drachmen-Stücke, die so
genannten "Othonia", aus massivem Gold bestanden. Auf der
einen Seite der Münzen war das Konterfei von Otto l. zu
sehen, auf der anderen sein Wappen. Zwar grollten die
Griechen ihrem König wegen seines absolutistischen Gebarens
bald und schickten ihn 1862 sogar ins Exil, aber der
Drachme hielten sie die Treue.
Nach vielen Verhandlungen und der Bereitstellung eines
Gründungskapitals von 1,5 Millionen Drachmen wurde 1841 die
Nationalbank von Griechenland gegründet. Wichtigste
Aktionäre waren, neben dem Staat, der Bankier und
Philhellene Chevalier Eynard und Georgios Stavrou, der auch
zum Bankdirektor bestellt wurde. Sein Porträt mit den
markanten Gesichtszügen zierte für viele Jahrzehnte die
Geldscheine. Die Nationalbank bekam von der Regierung das
Exklusivrecht zur Herausgabe von Banknoten. Mit dem Druck
der ersten Banknoten beauftrage Stavrou im gleichen Jahr
Eynard in Frankreich, und zwar in den Werten 25, 50, 100
und 500 Drachmen.
Diese Banknoten trugen die Aufschrift "Ethniki Trapeza tis
Ellados" (Nationalbank von Griechenland) und waren
einseitig bedruckt. Auf schwarzem Grund am unteren Rand
konnte jeder lesen, dass Geldfälscher mit schweren Strafen
zu rechnen haben. Diesmal wurden die Scheine von der
Öffentlichkeit gut aufgenommen, da ihr Gegenwert in Gold
und Silber bei der Bank deponiert war.
1863 bestieg der knapp 18-jährige dänische Prinz Wilhelm
Georg aus dem Hause
Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg als Georg l. (1845
- 1913) den griechischen Thron. Sein Porträt und sein
Wappen schmückten jetzt die Drachme. Doch es blieb nicht
allein bei dieser Neuerung. 1868 trat Griechenland der
Lateinischen Münzunion bei. Die übrigen Mitglieder dieser
zwischenstaatlichen Union waren Belgien, die Schweiz,
Italien und Piermont-Sardinien. Rumänien, Spanien und
Finnland übernahmen die selben Währungsstandards ohne
formellen Beitritt. Die Mitgliedsländer verständigten sich
über die Modalitäten der Ausprägung von Münzen wie Gewicht
und Größe, behielten aber die nationale Bezeichnung bei und
verfolgten zugleich eine gemeinsame Währungspolitik. Der
Wert der Gold- und Silbermünzen wurde festgelegt und stand
im Verhältnis 1 : 15,5. Allerdings setzte das voraus, dass
die Gold- und Silberpreise stabil blieben. Es dauerte
jedoch nicht lange bis dieser Versuch, die europäischen
Währungen einander anzugleichen, in den Turbulenzen des
Weltmarkts unterging.
Unterdessen passten die Unionsmitglieder ihr Währungssystem
dem dominierenden französischen Franc an. Und so kamen in
Griechenland neue Banknoten heraus, die auf der Rückseite
die Bezeichnung "Franc" trugen .Der kurze Auftritt der
Drachme auf dem internationalen Parkett bescherte ihr zum
ersten Mal in ihrer jüngsten Geschichte einen hohen
Wechselkurs. Ein durchschnittlicher Tageslohn betrug zu
dieser Zeit zwei Drachmen.
Ab 1880 erlebte Griechenland eine Modernisierungsphase.
Große Projekte wie der Bau des Eisenbahnnetzes und des
Kanals von Korinth wurden realisiert. Der Aufbau hatte
jedoch seinen Preis. In den folgenden Jahren nahm die
Auslandsverschuldung zu. 1893 erreichte der Schuldenberg
die für das kleine Griechenland astronomische Summe von 850
Millionen Drachmen. Schweren Herzens musste der
Ministerpräsident CharilaosTrikoupis die
Zahlungsunfähigkeit des Staates vor dem griechischen
Parlament bekannt geben. Seine Erklärung war ebenso
schlicht wie denkwürdig: "Leider sind wir pleite!" Doch
Land und Währung zeigten in der Folge eine enorme
Widerstandsfähigkeit. Trotz der schwierigen finanziellen
Situation fanden 1896 die ersten Olympischen Spiele der
Neuzeit in Griechenland statt.
Die wirtschaftliche Krise führte zu einer
Auswanderungswelle der Griechen nach Nordafrika,
Argentinien und in die Vereinigten Staaten. Erst um 1909
normalisierte sich die Lage wieder. Griechenland und seine
Währung konnten nun aufatmen - wenn auch nur für kurze
Zeit.
Der Erste Weltkrieg und vor allem die Kleinasiatische
Katastrophe von 1922 brachten das Land erneut an die
Grenzen seiner Belastbarkeit. Rund 1,5 Millionen
griechische Flüchtlinge kamen aus Kleinasien und mussten
integriert werden.
Die politischen, sozialen und wirtschaftlichen Probleme
hinterließen ihre Spuren auch bei der Drachme. Um die sich
anbahnende Inflation abzuwenden, beschloss der
Finanzminister Petros Protopapadakis, eine ungewöhnliche
Zwangsanleihe einzuführen. Alle damals kursierenden
Banknoten wurden in der Mitte durchgeschnitten. Die
halbierten Scheine zirkulierten selbstverständlich auch zu
ihrem halben Wert. Die linke Hälfte der Banknoten wurde
beim Staat gegen Obligationen eingetauscht.
Ab 1924 zirkulierten vollständige Banknoten aus den
Vorräten der Nationalbank, nachdem sie mit dem Wort NEON
(Neu) gekennzeichnet worden waren. Der Stempel wurde auf
das Staatswappen mit der Krone gesetzt, da Griechenland
keine konstitutionelle Monarchie mehr war, sondern eine
Republik. Auch von den Münzen verschwand das königliche
Wappen.
Seit ihrer Gründung besaß die Nationalbank von Griechenland
das Privileg, Banknoten herauszugeben. Im Gegenzug hatte
sie sich verpflichtet, Gold- und Silberreserven in der Höhe
de sich im Umlauf befindlichen Geldscheine anzulegen.
Zeitweilig bekamen auch andere Geldinstitut das
Herausgaberecht, so zum Beispiel die Ionische Bank, nachdem
sich die Ionischen Inseln 1864 mit Griechenland
vereinigten. Da die Nationalbank auch andere Bankgeschäfte
abwickelte, gründete der Staat 1928 eine eigene Notenbank,
die Bank von Griechenland. Die Scheine wurden bis 1947 im
Ausland gedruckt.
"Jasmin zu einer Drachme" hieß ein romantischer Schlager
kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges. Nach der
Besetzung Griechenlands im April 1941 erlebte die Drachme
ihren tiefsten Fall. Die Inflation erreichte ungeahnte
Ausmaße. Bündel von Millionen-Scheinen trugen die Griechen
bei sich. doch auf dem Markt gab es kaum etwas zu kaufen.
Die Drachme war zu einem Papierschnipsel geworden. 1944
zirkulierten nationale Pfandbriefe diesmal ausgestellt im
Wert von Getreide. Das Politische Komitee der Nationalen
Befreiung gab sie in den Werten von 5, 25 und 100 Oka
Getreide (1 Oka = 1 280 Gramm) heraus. Zwar erschienen nach
dem Krieg neue Banknoten, aber griechische Wirtschaft blieb
weiterhin schwach.
Bei der Währungsreform von 1953 wurde die Drachme in ihrem
Verhältnis zum US-Dollar abgewertet. Der bisherige
Wechselkurs von 15 000 Drachmen = 1 US-Dollar wurde
verdoppelt. Gleichzeitig sollte jede neue Drachme 1 000
alten entsprechen, so dass ein US-Dollar nun 30 Drachmen
entsprach. Neben dem Dollar war das Goldene Pfund, das
heißt die englische Goldmünze bei den Griechen hoch
angesehen. Zu den favorisierten Devisen gehörte bald auch
die Deutsche Mark, die die so genannten .Gastarbeiter"
griechischer Herkunft nach Hause schickten. Die harte
D-Mark wurde hauptsächlich in Immobilien investiert. Nach
der Währungsreform fand Griechenland den Weg zum
wirtschaftlichen Wiederaufbau.
Das Hunderstel einer Drachme heißt Lepto. Die Münzen in den
Werten von 5, 10 und 20 Lepta waren aus Aluminium. Im
Volksmund wurden sie liebevoll Pentara, Dekara und Ikossara
genannt. 1954 konnten sich Kinder für eine Pentara ein
Bonbon kaufen. Sagte allerdings jemand: "Nicht eine Pentara
gebe ich hierfür", so war das ein Zeichen der
Geringschätzung. Eine Zigarette ohne Filter kostete damals
20 Lepta. Das "dünne Geld", so die wörtliche Übersetzung
von Lepto, wurde in den 70er Jahren aus dem Verkehr
gezogen.
Mit dem Euro erlebt die kleinste griechische
Währungseinheit nun eine Wiedergeburt. Die griechischen
Centmünzen tragen auf der nationalen Seite die Prägung
Lepta.